Kolumne zu Kirchenaustritten – 27.04.2010

Durch die Missbrauchsfälle, die jetzt erst ans Tageslicht kamen, treten viele Menschen aus der Kirche aus. Geschieht das aber nicht zu voreilig? Sollte man nicht auch bedenken, dass nicht alle Kirchenmitarbeiter, ob im Ehrenamt oder im Hauptamt, hier schuldig sind. Die Arbeit dieser Menschen wird dadurch missachtet durch die Austritte und die Mitarbeiter, die des Missbrauchs beschuldigt werden.

Wir sollten bedenken, dass die beiden Kirchen einen wesentlichen Anteil daran haben, dass unser Sozialwesen gut funktioniert. Durch die Kirchensteuer werden viele Projekte finanziert, wie Kindergärten, Krankenhäuser, Jugendarbeit, Altenarbeit, Armenversorgung, Psychosoziale Stationen, Gemeindeseelsorge, Krankenhausseelsorge, Hospiz, Forschung mit anderen Disziplinen, usw. Wenn wir nun die Kirchenmitgliedschaft kündigen, graben wir solchen notwendigen Projekten das Wasser ab. Der Staat selber kann diese nicht Refinanzieren.

Zudem sind unsere Kirchen ein wichtiger Teil unseres öffentlichen Gewissens, die sich für Gruppen und Menschen einsetzten, die am Rande stehen. Denken wir auch nur an die friedliche Bewegung des Mauerfalls. Ohne die Kraft der Kirche, wäre dieser nicht so unblutig verlaufen.
Ein anderer Aspekt ist, dass wir, indem wir den Kirchen den Rücken zu kehren, Sekten und auch freien Kirchen den Boden überlassen. Sekten sind nun mal anziehend, da sie mit unlauteren Mitteln die Menschen beeinflussen und für sich gewinnen. Freie christliche Gemeinschaften haben den

Nachteil, dass sie nicht in der Öffentlichkeit der Gesellschaft stehen und somit auch nicht so sehr im gesellschaftlichen Diskurs stehen. Sie existieren sozusagen wie eine kleine Parallelgesellschaft nebenher.

Sicher kann man Volkskirche kritisieren, aber die Vorteile liegen klar auf der Hand:

  • Sie stehen im öffentlichen Diskurs.
  • Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie Medizin, Sozialwissenschaften, Ethik, Naturwissenschaften.
  • Sie prägen den ethischen Diskurs in Gesellschaft und Politik.
  • Gerade die Öffentlichkeit von Kirche ist für die Kirchen selber ein gute Kontrolle, wie wir jetzt an der Aufdeckung der Missbrauchsfälle sehen.

Die beiden Kirchen nehmen gesellschaftliche Verantwortung wahr. Dies haben wir gesehen, als der eine Satz von Frau Dr. Käßmanns Neujahrspredigt (Nichts ist gut in Afghanistan), endlich eine Diskussion über den militärischen Einsatz in Afghanistan in Gang brachte.

Wenn wir also unseren beiden Kirchen den Rücken zu kehren, wer tritt dann noch so wirksam für ethische Grundsätze und Werte ein oder für Randgruppen. Wer bietet den Politikern die Stirn? Wer äußert sich kritisch hörbar zu schwierigen gesellschaftlichen und politischen Problemen?

Dies alles sei zu bedenken, wenn man den Schritt aus der Kirche geht.

Ihre
Christina Forster

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